Die Arbeit der neuseeländischen Künstlerin Kate Newby (geb. 1979, lebt in Auckland) konzentriert sich auf Eingriffe in den jeweiligen Ausstellungsraum und dessen Umfeld. Sie selbst sagt, sie sei interessiert, „eine Beziehung zum Ort durch Aktion“ zu schaffen. D.h., die Merkmale des jeweiligen Ausstellungskontextes (etwa Gebäudedetails und Farben im Außen- und Innenraum sowie die Lage und Einbindung in die Umgebung) sind der Ausgangspunkt ihres Denkens und bestimmen die Art ihres weiteren Vorgehens. Meist handelt es sich um zurückgenommene Interventionen, die die Charakteristika des Raumes aufnehmen bzw. konterkarieren: lichtfangende Stoffbahnen, gemauerte Backsteinvorsprünge, schiefe Bodenebenen, Fotografien, Typografien oder Skulpturen aus alltäglichen, vor Ort gefundenen Materialien.
Der Titel ihrer Ausstellung in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst „Crawl out your window“ beinhaltet bereits verschiedene, für Newbys künstlerisches Vorgehen wesentliche Elemente: Körperliche Aktion, Architektur und Vorstellungen von Widerstand, Fluchtrouten und Opposition. Elemente, die sie in eigens für Bremen entwickelten, gleichermaßen simplen wie verrätselten Arbeiten materialisiert. So wird die dominante Fensterfront der GAK durch eine große weißlich-transparente Stoffbahn verhängt, die vor den Fenstern einen strahlend gelb abgesetzten Korridor bildet. Der Vorhangstoff wurde vor seiner Anbringung im Fluss gewaschen, auf dem Rasen getrocknet und diente als Unterlage für Picknicks, Frühstücke und Barbecues – und saugte sich auf diese Weise buchstäblich voll mit alltäglichen Handlungen. In ihrer Gesamterscheinung formuliert die Arbeit sowohl einen formalen Dialog zwischen Licht und Material als auch die Möglichkeit eines Rückzugortes oder Verstecks. Außerdem dient sie als Hervorhebung der Fensterregion, von wo die Besucher*innen die von Newby im Außenraum vorgenommenen Interventionen einsehen können. Neben dem lang gestreckten Korridor wird der Hauptraum der GAK durch eine rund 100 m2 große, begehbare Betonrampe eingenommen. Ihre Oberfläche wird durch ihre blaue Farbigkeit und zahlreiche Steine, Fußabdrücke, Reifenspuren, Kronkorken oder Kristalle zu einer Art begehbarem Alltagsbild. In einem Nebenraum der Ausstellung befindet sich eine großformatige Bodenarbeit, bestehend aus herkömmlicher Teppichauslegeware und dem Schriftzug „I’m so ready“. All diese Arbeiten verknüpfen ein für Newby typisches Interesse an Alltagsmaterialien und Architektur und der Herausarbeitung von deren skulpturalen Qualitäten mit einer aktiven Teilnahme der Ausstellungsbesucher*innen.
„Crawl out your window“ verknüpft darüber hinaus den institutionellen und den öffentlichen Raum, wenn Newby Werke sowohl im Innen- als auch im Außenbereich platziert. So betont die Künstlerin einige der Steine farbig und mit Inschriften, die den Gebäudegrund der GAK zur Weser hin bilden und aufgrund der Tide in regelmäßigem Wechsel deutlich zu sehen oder nahezu im Wasser verschwunden sein werden. Und zwei auf die Ufermauer auf der gegenüberliegenden Flussseite aufgebrachte Handlungsaufforderungen „Try.“, „Try.“ in leuchtendem Orange formulieren ein Echo der Lawrence Weiner-Inschrift auf der Fassade des Ausstellungshauses. Durch die Einbeziehung des öffentlichen Raumes verhindert „Crawl out your window“ zum einen eine schnelle, gleichzeitige Erfassung der Ausstellung und initiiert zum anderen eine Konversation zwischen Außen und Innen, indem das eine vom anderen aus einsehbar wird oder sich aufeinander bezieht.
Kate Newbys Eingriffe nehmen die Sprache ihrer Umgebung so klug und präzise auf, dass sie sich nicht in den Vordergrund schieben, sondern sich das Augenmerk auf das Umfeld verlagert. Indem sie ihre Interventionen auf eine Weise einfügt, die ihre Kontexte betont, wird der alltägliche Raum zum Hauptakteur ihres künstlerischen Schaffens. Gleichzeitig aber greifen ihre Arbeiten in ihre Umgebung ein und verändern deren Wahrnehmung – mittels ihrer formalen Erscheinung und intensiven Farbigkeit. Die von Newby eingesetzte Materialität orientiert sich dabei an Vorstellungen der Arte Povera, die konzeptuelle Gedanken in einer größtmöglichen Ökonomie der verwendeten Mittel umsetzte. So bestehen ihre Werke aus gefundenen oder einfachen Materialien wie Holz, Steinen, Beton, Baumwollstoffen, Seilen, Satzfragmenten oder Fotografien. Diese werden auf oft provisorisch anmutende Art und Weise zusammengebracht, die von ihrer vorherigen Funktion und dem Alltäglichen spricht und doch über sie hinausweist. Newbys Eingriffe arbeiten gleichzeitig mit dem Raum und gegen ihn, erscheinen zur selben Zeit unpassend und zugehörig. Mit diesem Vorgehen gelingt es ihr, eine Beziehung zwischen dem benutzten Material und den vorgefundenen Räumlichkeiten herzustellen, die das Potential beider Faktoren jenseits ihrer alltäglichen Erscheinung herausarbeitet.
Die Ausstellung in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst ist Kate Newbys erste institutionelle Einzelpräsentation in Europa.
Kuratiert von
Janneke de Vries
Jahresgaben
Veranstaltungen
Fr 27.08.10, 19 Uhr
Eröffnung
Do 16.09.10, 19 Uhr
Führung mit Imke Itzen
Do 07.10.10, 19 Uhr
Kate Newby: My Blues Song
Musikabend
Do 21.10.10, 19 Uhr
Führung mit Janneke de Vries
Förderung
Der Senator für Kultur, Freie Hansestadt Bremen, Bremer Landesbank, Arts Council of New Zealand